Rechtzeitig zum 100tägigen Jubiläum der Übernahme ihrer Amtsgeschäfte gelangte die Regierung Mujica letzten Montag zu einer nationalen Übereinkunft mit den drei im Parlament vertretenen Oppositionsparteien, durch die diese 56 wichtige Posten in den öffentlichen Verwaltungsorganen bekommen, und zwar in allen Staatsunternehmen und -Banken, in allen Aufsichtsgremien und staatlichen Dienstleistungseinrichtungen.
Das ist ein absolutes Novum in der uruguayischen Geschichte. Vertreter aller Parteien und Gesellschaftssektoren sprechen von einem "historischen Ereignis".
Foto: Der uruguayische Präsident, José 'Pepe' Mujica (Frente Amplio), mit Jorge Larrañaga (rechts) vom Partido Nacional ('Blancos') nach dem Erreichen der nationalen Übereinkunft am Montag, 7. Juni 2010. Im Hintergrund (verdeckt): Vizepräsident Danilo Astori (Frente Amplio).
Der Ex-Guerrillero als nationale Integrationsfigur
Wer hätte das gedacht? Der ehemalige Guerrillero und "Staatsfeind Nr. 1"
entwickelt sich immer mehr zur nationalen Integrationsfigur und macht
möglich, was noch keine Regierung vor ihm schaffte (und die meisten auch
gar nicht wollten): eine Regierung der nationalen Einheit, in der die
gesamte Opposition mit in die Verantwortung eingebunden ist.
Nur Vorgängerpräsident Tabaré Vázquez, ebenfalls vom Frente Amplio,
hatte das versucht. Vor fünf Jahren war jedoch die Zeit dafür noch nicht
reif.
Mujica bleibt dabei seiner Linie treu. Von Anfang an hat er eine auf
nationale Integration zielende Politik propagiert und praktiziert. Am
Tag seines Wahlsieges hatte er eine Regierungspolitik "ohne Besiegte und
ohne Sieger" ("sin vencidos ni
vencedores") versprochen. Er bot der Opposition Ministerposten in seinem
Kabinett an, was diese jedoch seinerzeit ausschlug, und von Anfang an
nahm er Exponenten der Opposition zu wichtigen Treffen und
Auslandsreisen mit.
Und nun verschenkt er ohne Not, d.h. ohne unter einem irgendwie
gearteten Druck zu stehen, 56 wichtige Verwaltungsposten an die Leute,
die ihn noch bis vor kurzem als "Mörder" und "Terroristen" geschmäht
haben (s. z.B. Uruguay-Magazin
v. 5. 11. 2009), und das auch noch ohne Bedingungen, wie sie ihre
Ämter auszuüben hätten (vgl. El
País v. 8. 6. 2010)!
Wer sonst noch auf diesem Planeten macht eine solche Politik?
(Die Schreihälse von damals sind inzwischen sehr still geworden und
versuchen, erstens, mit dem von Mujica vorgelegten Tempo Schritt zu
halten. Zweitens nehmen sie die von Mujica angebotenen Posten dankend an.)
Mujicas Geschenkpaket an die Opposition
Von den 56 hohen Posten in der Administration bekommen die Blancos
(Partido Nacional) 33, die Colorados (Partido Colorado) 20 und kleine
Unabhängige Partei (Partido Independiente) 3.
Innerhalb der Blancos wird der Sektor von Parteichef Luis Alberto
Lacalle, "Unicad Nacional" (UNA), 19 Posten bekommen und der von Jorge
Larrañaga, "Alianza Nacional", 14.
Bei den Colorados werden 12 Posten auf den von Parteichef Pedro Bordaberry
geführten Sektor, "Vamos Uruguay", und 8 auf "Propuesta Batllista" von
José Amorín Batlle entfallen (s. El
País v. 1. 6. 2010).
Die Colorados haben ihre Leute schon bestimmt, ebenso der
Partido Independiente. Die Blancos hingegen sind bisher noch nicht zu
Potte gekommen, was möglicherweise damit zusammen hängt, daß sich
Parteichef Lacalle auf Auslandsreise in den USA befindet.
Von Sprechern des Regierungsbündnisses Frente Amplio wurden die Blancos
höflich gemahnt wenigstens ihre Repräsentanten für die wichtigsten
Ämter rasch zu nominieren.
Die künftigen Leiter der wichtigsten staatlichen Betriebe und
Einrichtungen
ANEP (Administración Nacional de Educación
Pública - Schulaufsichtsbehörde)
Das Führungsgremium von ANEP
heißt Codicen (Consejo Directivo Central) und wird integriert von:
- José Seoane und Nora Castro (Frente Amplio)
- Daniel Corbo (Partido Nacional)
UTE (Administración de Usinas y Transmisiones Eléctricas del
Estado - staatliches Elektrizitätswerk)
- Gonzalo Casaravilla, César Briozzo und Gerardo Rey (Frente Amplio)
- José Garchitorena (Partido Colorado)
- N.N. (Partido Nacional)
ANCAP (Administración Nacional de Combustibles, Alcohol y
Portland - staatliche Raffinerie, Destillerie und Zementwerk)
- Raúl Sendic, Germán Riet und Juan Gómez (Frente Amplio)
- Juan Justo Amaro Cedrés (Partido Colorado)
- N.N. (Partido Nacional; möglicherweise Carlos Camy)
ANTEL (Administración Nacional de Telecomunicaciones - staatliches
Telefonunternehmen)
-
Präsidentin: Carolina Cosse (Frente Amplio)
- Vizepräsident: N.N. (Frente Amplio)
- Carlos Guariglia (Partido Colorado)
OSE (Obras Sanitarias del Estado - staatliches Wasserwerk)
-
Carlos Colacce und Alicia Araújo (Frente Amplio)
- N.N. (Partido Nacional)
BROU (Banco de la República Oriental del Uruguay - Staatsbank)
- Fernando Calloia, Jorge Perazzo und Danilo Vázquez (Frente Amplio)
- Fernando Scrigna (Partido Colorado)
- N.N. (Partido Nacional)
BCU (Banco Central del Uruguay - Zentralbank)
- Mario Bergara und Jorge Gamarra (Frente Amplio)
- N.N. (Partido Nacional; möglicherweise Washington Ribeiro)
BHU (Banco Hipotecario del Uruguay - staatliche Hypothekenbank)
- Jorge
Polgar und Ana Salveraglio (Frente Amplio)
- José Luis Damonte
(Partido Independiente)
BSE (Banco de Seguros del
Estado - staatliches Versicherungsunternehmen)
- Präsident:
Mario Castro (Frente Amplio)
- Vizepräsidentin: Alejandra
Dufrechou (Frente Amplio)
- Alberto Iglesias (Partido Colorado)
BPS (Banco de Previsión Social - staatliche Sozialversicherung)
-
Ernesto Murro, María Oiz und Heber Galli (Frente Amplio)
- Hugo
Odizzio (Partido Nacional)
ANP (Administración Nacional de Puertos - Hafenbehörde)
- Alberto
Díaz und Juan Domínguez (Frente Amplio)
- N.N. (Partido Nacional)
CND (Corporación Nacional para el Desarrollo - öffentlich-private
Einrichtung zur Wirtschaftsförderung)
- Präsident: Luis Porto
(Frente Amplio)
- Vizepräsident: Arturo Echevarría (Frente Amplio)
- N.N.
(Partido Nacional)
AFE (Administración de Ferrocarriles del Estado - Bahnbehörde)
- Präsident:
Alejandro Orellano (Frente Amplio)
- Vizepräsident: Juan Silveira
(Frente Amplio)
- N.N. (Partido Nacional)
Primaria (Schulbehörde für die 1. bis 6. Klasse)
-
N.N. und N.N. (Frente Amplio; als Kandidaten werden gehandelt Héctor
Florit, Oscar Gómez und Adhemar Silveira)
- Dritter Direktor: N.N.
(ein Vertreter der Lehrerschaft)
- Beraterin: Teresa
González (Partido Colorado)
INAU (Instituto Nacional del Adolescente y el Menor del Uruguay -
Jugendamt)
- Präsident: Javier Salsamendi (Frente Amplio)
- Vizepräsident: N.N. (Frente Amplio)
- Dardo Rodríguez (Partido Independiente)
Corte Electoral (Wahlaufsichtsbehörde; in Uruguay die vierte Staatsgewalt)
- Präsident: Ronald Herbert (Partido Independiente)
- Wilfredo
Penco, Washington Salvo, Walter Pesqueira und Germán Lezama (Frente Amplio)
- Alberto Brause und Gustavo Silveira (Partido Colorado)
-
N.N. und N.N. (Partido Nacional; möglicherweise Margarita
Reyes und Sandra Etcheverry)
- Sekretariat: Mariella Demarco (Partido Independiente)
TCR (Tribunal de Cuentas de la República - Bundesrechnungshof)
- Präsident: Siegbert Rippe (Frente Amplio)
- Álvaro Ezcurra (Partido Colorado)
Kommissionen
Die ersten vier Kommissionen sind bilaterale Einrichtungen zusammen mit Argentinien. Bisher sind die Teilnehmer des Partido Colorado bekannt:
- Luis Anastasía (Comisión Administrativa del Río de
la Plata - CARP)
- Luis Hierro
(Comisión Administrativa del Río Uruguay - CARU)
- Daniel García (Comisión Técnica Mixta del Frente Marítimo)
- Juan Modesto Llantada (Comisión Técnica Mixta de Salto Grande)
- Gonzalo Texeira (Comisión del Río Cuareim - CRC)
- Alberto Scavarelli
(Consejo del Sodre)
(Quelle: El
País v. 8. 6. 2010.)
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