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Bilanz der Regierung Tabaré Vázquez III: Das neue Uruguay (Teil 1) |
Geschrieben von Manfred Burger | |
Erstellt: Donnerstag, 18. Februar 2010 | |
Dieser Artikel und die geplanten weiteren zwei Teile sollen einen Eindruck von der neuen Politik und dereingeschlagenen Richtung vermitteln. Foto: Der frischgewählte uruguayische Präsident, Tabaré Vázquez, nach seinem überwältigenden Wahlsieg vom 31. Oktober 2004, als er den Legende gewordenen Ausspruch tat: "Feiert, Uruguayer, feiert!" ("Festejen, Uruguayos, festejen!"). Unter der ersten Frente-Amplio-Regierung wurde hier zum ersten Mal seit der Proklamation der nationalen Unabhängigkeit am 25. August 1825 einePolitik für ALLE Uruguayer/innen gemacht, nicht nur für dieWohlhabenden (s. Ein anderer Politikstil). Die Hauptschwerpunkte der Politik der Vázquez-Regierung waren (s. Sofortprogramm der Regierung Vázquez):
In bezug auf Letzteres sagte Vázquz in seiner Antrittsrede: "Schon von Beginn unserer Regierungsperiode an muß jedem klar sein: Wir dulden keinerlei Einmischungen von außen in unsere inneren Angelegenheiten. Die Probleme der Uruguayer lösen wir unter Uruguayern" (s. XinhuaNet.com v. 2. 3. 2005). Erste Maßnahmen
Eine neue SozialpolitikDas wichtigste erklärte Ziel der Regierung Vázquez war die Bekämpfung der Armut, verbunden mit einer Erhöhung der Chancengleichheit und der gesellschaftlichen Integration sowie der Schaffung einer gerechteren Einkommensverteilung. Und dabei ist sie auch einen großen Schritt vorangekommen, wurde doch der Prozentsatz der Armen in der Bevölkerung in den zurückliegenden fünf Jahren um über 35% reduziert, von über einer Million Anfang 2005 auf ungefähr 650.000 heute. Das entspricht aktuell rund 20% der Bevölkerung (s. Armut in Uruguay). Jetzt gilt es in dieser Richtung weiter zu arbeiten, um das Ziel "Pobreza zero" ("null Armut") ganz zu erreichen. Eckpunkte der neuen Sozialpolitik sind, neben dem bereits erwähnten Nothilfeplan für die Ärmsten, "Panes":
All das wäre ohne den Frente Amplio niemals in Uruguay möglich gewesen. Wirtschaftspolitik und SteuerreformDie Wirtschaftspolitik der Regierung Vázquez war sehr erfolgreich, was sich niederschlug in (immer bezogen auf den Fünfjahres-Zeitraum der Regierungsperiode):
Energiepolitisch schloß die Vázquez-Regierung strategische Abkommen u.a. mit Venezuela und Bolivien (siehe z.B. Evo Morales in Uruguay: Erdgas gegen Meerzugang). Das erste Abkommen mit Venezuela war gleich nach Vázquez's Regierungsantritt paraphiert worden. Hugo Chavez war eines der sieben lateinamerikanischen Staatsoberhäupter gewesen, die anläßlich der Regierungsübernahme von Tabaré Vázquez nach Montevideo gekommen waren.
Die umfassende Steuerreform der Vázquez-Regierung, in Kraft getreten am 1. Juli 2007, war ein Opus Magnum, das fast dem herkulianischen Ausmisten eines Augiasstalls gleichkam, durchgeführt unter der Regie des damaligen Wirtschaftsministers und künftigen Vizepräsidenten, Danilo Astori. Durchdiese Neugestaltung wurde dasuruguayische Besteuerungssystem vereinheitlicht und effizientergestaltet. Sonder- und Ausnahmeregelungen wurden auf einMinimum reduziert. Der Fiskus sollte durch die Reform wedermehr noch weniger einnehmen (Nullsummenspiel). Außenbeziehungen und MercosurDie Wiederaufnahmeder Beziehungen zu Kuba stand emblematisch für die neue Orientierung indenAußenbeziehungen Uruguays: Weg von der Fixierung auf das "Imperium imNorden" (die USA), und hin zu verstärkten Beziehungen vor allem mitanderen Ländern Lateinamerikas, aber auch mit dem 'Rest' der Welt (vgl.El Espectador v. 5. 10. 2004). Eine gewisse Umorientierung fand auch in bezug auf die traditionellen Handelspartner Argentinien und Brasilien statt - Konsequenzen a) aus der Brasilienkrise von 1999 und der Argentinienkrise mit ihrem Höhepunkt im Jahr 2002, die Uruguay schwer in Mitleidenschaft gezogen hatten, und b) aus der desolaten Verfassung des Mercosur ("Gemeinsamer Markt des Südens" - "Mercado Común del Sur"). Die beiden Großen im Mercosur, Brasilien und Argentinien, schalten und walten dort nach Gutdünken, schließen bilaterale Abkommen und ignorieren die beiden kleinen Partner, Paraguay und Uruguay. Mehr noch: Mit dem Mercosur-'Partner' Argentinien befindet sich Uruguay seit Jahren in einem schweren Konflikt wegen der Zellulosefabrik Botnia, mit Blockaden des Grenzübergangs bei Fray Bentos und einem Rechtsstreit vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (s. Jahrelanger Dauerkonflikt zwischen Argentinien und Uruguay). Die Institutionen des Mercosur haben sich darum überhaupt nicht gekümmert. Angesichts solcher Umstände ist es nicht verwunderlich, daß Vázquez klar und deutlich erklärte, ein solcher Mercosur nütze Uruguay überhaupt nichts, und sogar die Opposition plichtete ihm bei (s. auch Uruguay unzufrieden mit dem Mercosur). Es wurde hier laut über Alternativen nachgedacht, z.B. über ein Freihandelsabkommen mit den USA nach chilenischem Modell, und Vázquez besuchte während seiner Präsidentschaft sehr vieleLänder, von Rußland über China bis zu den USA, von Chile über Venezuelabis Mexiko, von Spanien über Deutschland bis Finland. Überall trat erals Botschafter von Demokratie und Frieden auf, und vor allem warb er für Uruguay und dessenProdukte und Investitionsmöglichkeiten. Bei vielen seiner Staatsbesuchewurden konkrete Handels- und andere Abkommen geschlossen bzw. in dieWege geleitet (siehe z.B. Neue bilaterale Abkommen zwischen Uruguay und Mexiko). Bezüglich der beiden großen Konflikte in Lateinamerika der jüngsten Vergangenheit, dem Putsch in Honduras gegen die Regierung Zelaya und der Erweiterung der US-Militärpräsenz in Kolumbien, bezog Vázquez eine glasklare Position, indem er beide kategorisch ablehnte, getreu seinen demokratischen Prinzipien (s. La República v. 7. 8. 2009).
Forschung und UmweltschutzAuch die Forschungsförderung war eines der strategischen Ziele derRegierung Vázquez, und der Umweltschutz wurde zum ersten Mal in Uruguayvon einer Regierung wirklich ernst genommen. Besonderes Augenmerk galt dabei den uruguayischen Küsten und Stränden. DieZellulosefabrik Botnia steht dem nicht entgegen, unterliegt diese dochstrengsten Umweltschutz-Auflagen, und verbrauchtes Holz muß wiederaufgeforstet werden. Näheres finden Sie in den nachstehenden Links:
Neues EinwanderungsgesetzUnter der Ägide des Frente Amplio wurde auch ein neuesEinwanderungsgesetz verabschiedet (hier der spanische Originaltext: Ley 18.250vom 17. Januar 2008). Dabei wurde nichts Substantielles geändert. Diepraktischen Konsequenzen des Gesetzes und seinerAusführungsbestimmungen sind, stets aktuell, hier zu finden: Einwanderungsbestimmungen für Uruguay.
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