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Auswandern nach Uruguay

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Berlin: Donnerstag 25.04.24 06:41 | Montevideo: Donnerstag 25.04.24 01:41

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Problemlösung oder Problemschaffung? Uruguay wird 25% seiner Häftlinge entlassen

Geschrieben von Manfred Burger   
Erstellt: Freitag, 13. August 2010

Foto: Feuer und Flamme: Der Knast von Rocha.Die Regierung Mujica will 25% der Gefängnisinsassen entlassen, um so dem Problem der hoffnungslosen Überbelegung der uruguayischen Haftanstalten entgegen zu wirken.

Anlaß: Im Morgengrauen des 9. Juli waren zwölf Häftlinge bei einem Brand im Gefängnis der Stadt Rocha um's Leben gekommen, weitere acht mussten in kritischem Zustand in umliegende Krankenhäuser eingeliefert werden. Ausgebrochen war das Feuer wegen eines Kurzschlusses in einem kleinen Bau von 28 Quadratmetern, in dem 20 Gefangene untergebracht waren (s. El País v. 9. 7. 2010).

Foto: Der in Flammen stehende Bau der Haftanstalt der Stadt Rocha, Uruguay. Daß hier überhaupt jemand lebend rauskam, grenzt an ein Wunder.

Obwohl die ganz in der Nähe stationierte Feuerwehr recht schnell am Einsatzort war, kam jede Rettung für die Betroffenen zu spät. Der Knast von Rocha rangiert auf Platz zwei der Überbelegungsliste der uruguayischen Gefängnisse. Ausgelegt für 70 Insassen, beherbergte er zum Zeitpunkt des Feuers 174.

Nach diesem tristen Vorfall in Rocha traten rund 2.500 Häftlinge in den vier wichtigsten Gefängnissen des Landes in einen Hungerstreik. Es gab aufgebrachte und peinlich berührte Reden im Parlament sowie Protestaktionen von Familienangehörigen und Freunden der 12 in den Flammen Umgekommenen.

Als Konsequenz wurde für die uruguayischen Haftanstalten der Notstand ausgerufen, und etwa 2.000  Gefangene (ca. ein viertel aller Inhaftierten) sollen entlassen werden, die meisten ohne Gerichtsverfahren.

Überbelegt und menschenunwürdig

Die Situation in den uruguayischen Gefängnissen ist generell katastrophal, das Problem ist nicht neu. Es gibt viel zu wenig Kapazität, sodaß alle Knäste hoffnungslos überbelegt sind. Regelmäßig kommt es zu Aufständen, die gewaltsam von Wachpersonal und uniformierten Sicherheitskräften niedergeschlagen werden müssen, und auch zu Ausbrüchen.

Daran hat auch das bereits am 19. September 2005 in Kraft getretene "Gesetz zur Humanisierung und Modernisierung des Gefängnissystems" (s. Ley 17.897) bisher nur wenig bis nichts geändert. Durch dieses Gesetz waren damals 800 Häftlinge vorzeitig in Freiheit gekommen.

Foto: Die traurig berühmte Haftanstalt in Libertad, 50 km von Montevideo.

 Foto: Der größte und wohl problemträchtigste uruguayische Knast in der Gemeinde Libertad, ca. 50 km westlich von Montevideo.

Das wohl größte uruguayische Gefängnis befindet sich in der rund 50 km westlich von Montevideo gelegenen Gemeinde Libertad, was -ausgerechnet!- auf Deutsch "Freiheit" heißt.

"Die Haftbedingungen in der Strafanstalt von Libertad sind schlimmer als die im Gefängnis von Black Beach”, befand der von der damaligen uruguayischen Regierung Vázquez eingeladene UNO-Beauftragte für Folter, der Österreicher Manfred Nowak, am 21. März 2009, wobei er den uruguayischen Knast mit einer berüchtigten Haftanstalt im diktatorischen Äquatorialguinea (an der zentralafrikanischen Westküste gelegen) verglich (s. uruguay.indimedia.org v. 29. 3. 2009). "Die Menschenrechte werden in uruguayischen Gefängnissen in hohem Ausmaß verletzt", so die Kernaussage seines Berichts an seinen Arbeitgeber (s. Observador Global v. 18. 5. 2009).

Problemlösung oder Problemschaffung?

Die Antipsychiatriebewegung der 70er Jahre wollte die psychiatrischen Kliniken schließen und deren Insassen freilassen, und die eine oder andere "Klappsmühle"wurde damals auch dicht gemacht, vor allem in Italien.

Die uruguayische Regierung ihrerseits läßt Gefängnisinsassen frei, bevor sie ihre Strafen abgesessen haben, d.h. Menschen, die anderen Menschen Schaden zugefügt haben, indem sie entweder Dinge an sich genommen haben, die nicht ihnen gehörten, und/oder indem sie gegen Andere gewalttätig wurden. (Fälle von Justizirrtümern wollen wir jetzt einmal außer Betracht lassen.)

Da drängen sich mehrere Fragen auf, wie z.B.: 1.) Wurden denn diese Menschen erfolgreich resozialisiert? Wohl nicht! Bei den Zuständen in den uruguayischen Gefängnissen ist wohl eher anzunehmen, daß sie noch weiter verrohten.

2.) Wo sollen diese Leute nach ihrer Haftentlassung hin? Wovon sollen sie leben? Ich glaube nicht, daß irgendeiner von denen ein regelmäßiges Einkommen hat. Es ist auch nicht anzunehmen, daß diese Menschen intakte Familien haben, in denen die Söhne und Töchter arbeiten oder studieren und in denen abends beim Essen Familienangelegenheiten besprochen werden. (Ich will jetzt keine Klischees bemühen, aber eine intakte Familie sieht doch mehr oder weniger so aus, grob skizziert...)

Der Frente Amplio hat ein spezielles Verhältnis zu Gefängnissen, waren doch viele Frenteamplistas zu Zeiten der Militärdiktatur (1973-1985) aus politischen Gründen selbst im Knast oder von Gefängnis bedroht, vor allem Führungskader wie der jetzige Präsident, José Mujica.

Wenn dazu noch eine gute Ration Gutmenschentum und sog. Idealismus kommen, kann man leicht die Knackies nur als Opfer sehen - und nicht auch als Täter, die anderen Menschen Schaden zugefügt haben.

Und bei vielen, wenn nicht den meisten, ist davon auszugehen, daß sie ihre deliktiven Verhaltensmuster nicht abgelegt haben, sondern, im Gegenteil, daß sie in den brutalen Knästen noch brutaler wurden.

Wie sieht es denn mit den Menschenrechten der Bürgerinnen und Bürger aus, die Oper solcher Wiederholungstäter werden, Herr Mujica? Denn anzunehmen, daß die Freigelassenen keine Delikte bzw. Verbrechen mehr begehen würden, ist doch blauäugig.

Daß die Zustände in den Gefängnissen unhaltbar und menschenunwürdig sind, steht außer Frage. Die Frage ist vielmehr ob die Lösung dieses Problems darin bestehen kann, daß man Delinquenten einfach laufen läßt...

 


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