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Auswandern nach Uruguay

Auswandern nach Uruguay

Berlin: Samstag 20.04.24 06:40 | Montevideo: Samstag 20.04.24 01:40

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Honduras: Staatsstreich oder Wahlkampf-Theater?

Geschrieben von Manfred Burger   
Erstellt: Sonntag, 28. Juni 2009

In der vergangenen Nacht wurde der honduranische Präsident Manuel Zelaya, im Amt seit 27. Januar 2006, von schwerbewaffneten Vermummten in Militäruniform aus dem Bett geholt, gezwungen die in der Nähe seines Hauses parkende Präsidentenmaschine zu besteigen, im Schlafanzug, und außer Landes geflogen.

Wenig später landete das Flugzeug in San José, der Hauptstadt von Costa Rica, wo Zelaya umgehend eine lange Pressekonferenz gab, immer noch im Schlafanzug, zusammen mit dem costaricanischen Staatschef Oscar Arias, der ihm die Gastfreundschaft seines Landes anbot.

Diese Pressekonferenz nutzte Zelaya weidlich, um sich selbst und seine Politik im besten Licht darzustellen. Er sei mit allen Präsidenten der Amerikas befreundet, von Obama bis Chavez, von Bachelet bis Castro, von Morales bis Kirchner usw. (Den kanadischen Regierungschef hat er, glaube ich, in seiner Aufzählung vergessen.)

Alles wurde live übertragen vom costaricanischen Fernsehen, aber auch von TeleSUR, dem venezolanischen Kanal, der ganz Amerika abdeckt und auch in Spanien empfangen werden kann. Und vermutlich war CNN auch präsent.

Praktisch alle lateinamerikanischen Regierungen haben schon Solidaritätserklärungen für Zelaya abgegeben. Auch die US-Regierung und die EU haben die Entführung bereits verurteilt.

Hugo Chavez wurde in TeleSUR gezeigt, wie er in Galauniform in seinem Pendant des Oval Office vor einem riesigen Ölgemälde von Simon Bolivar saß und mit ernster Stimme mit einem militärischen Eingreifen drohte, sollte dies nötig sein. An diesem Ort, vor dem Ölgemälde seines Idols, und mit militärischem Lametta sieht man Chavez nur selten. Normalerweise ist er mit einem knallroten Hemd bekleidet, der Farbe seiner "Bolivarianischen Revolution".

Heute Abend soll in Managua ein vorgezogenes Gipfeltreffen der Mitgliedstaaten des Alba stattfinden, der chavistischen Alternative zur OAS.

Alba = "Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América", von Chavez und Castro am 14. Dezember 2004 in La Habana gegründet. Mitgliedstaaten sind heute Venezuela, Kuba, Nicaragua, Bolivien, Dominica, Honduras, St. Vincent und die Grenadinen, Ecuador, Antigua und Barbuda.

Im November 2009 sind in Honduras allgemeine Wahlen. Zelaya möchte, daß an diesem Tag nicht nur das neue Regierungsoberhaupt und die Parlamentsabgeordneten gewählt werden, sondern daß zusätzlich eine Volksbefragung durchgeführt wird über eine von ihm in's Auge gefaßte Verfassungsänderung. Mit diesem Ansinnen stößt er jedoch auf große Ablehnung, sogar in den Reihen seiner eigenen Partei, dem Partido Liberal.

Dieser rief gestern die honduranische Bevölkerung dazu auf an der von Zelaya geplanten Befragung nicht teilzunehmen (s. Faro de Vigo v. 27. 6. 2009). Wenige Tage zuvor, am 24. Juni, hatte Zelaya seinen militärischen Oberbefehlshaber Vásquez entlassen, weil dieser sich geweigert hatte, seine Soldaten Material bezüglich der Volksbefragung unter der Bevölkerung verteilen zu lassen. Darüberhinaus hatte Zelaya eine Warnung an die Militärs ausgesprochen.

Der Oberste Gerichtshof von Honduras forderte umgehend die Wiedereinsetzung von Vásquez in sein Amt. Die Opposition kündigte an sie werde alles daran setzen, daß Zelaya für "unzurechnungsfähig" erklärt wird. Dann könnte er das Land nicht weiter regieren (s. Periodista Digital v. 27. 6.).

Wie man sehen kann hat Herr Zelaya allerhand Probleme mit der Justiz, den Militärs, der Opposition und seiner eigenen Partei.

Da kommt so eine kleine Entführung gerade recht, die Solidaritätsbekundungen von Washington bis Buenos Aires und von Madrid bis Brüssel generiert.

Natürlich kann das Operetten-Kidnapping auch real gewesen sein, d.h. nicht von Zelaya selbst inszeniert. Schließlich hat er ja genügend Leute, v.a. auch die militärische Führungsspitze, gegen sich aufgebracht.

Wie dem auch sei, es bleiben einige Fragen, z.B. warum die Pressekonferenz im Schlafanzug? Wenn es schon so eilig war, daß die Pressekonferenz noch auf dem Flughafen gegeben werden mußte, hätte dann nicht zuerst ein Herrenausstatter zumindest Hemd und Hose vorbeibringen können? Das wäre doch mit Kußhand gemacht worden, wenn denn einer einbestellt worden wäre.

Was für ein Zufall auch, daß Zelayas Familie diese Nacht anderswo verbrachte und somit die Entführung verpaßte. Bleibt der Eindruck, daß hier mächtig auf die Mitleidsdrüse gedrückt und Sympathien erzeugt werden sollen.

Irgendwie erinnert das alles an Bolivien, wo Evo Morales periodisch Komplotts gegen sein Leben aufdeckt, zuletzt eine Gruppe schwerbewaffneter Ungarn (!)... oder an Venezuela, wo Hugo Chavez mit schöner Regelmäßigkeit schwerbewaffnete terroristische Elemente dingfest macht...

In Tegucigalpa sind derzeit viele Demonstranten auf den Straßen, Sympathisanten Zelayas, die von Militärs in Schach gehalten werden, während der honduranische Parlamentspräsident im Fernsehen erklärt, Zelaya habe aus gesundheitlichen Gründen abgedankt.

Wir werden sehen, wie das weitergeht.

Kommentar vom Autor =MaBu=, Juni 2009: 

So ein bischen Staatstreich scheint diese Aktion ja doch gewesen zu sein, wenn man sich die Bilder mit Panzern und Militärs in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa so ansieht.

Aber wußten Sie, daß gegen Regierungschef Zelaya und 13 seiner Minister Haftbefehle vorlagen, abgesegnet vom Obersten Gerichtshof von Honduras, auf die sich die Militärs berufen?

Ein bischen komplex, das Ganze.

Da Zelaya zum Fanclub von Hugo Chavez gehört, bekommt man von dieser Komplexität in vielen lateinamerikanischen Mainstream-Medien nichts mit. Da wird einfach nur von einem völkerrechtswidrigen Putsch geredet. 

Kommentar vom Autor =MaBu=, Juli 2009: 

Anderswo habe ich gelesen der honduranische Präsident Zelaya habe permanent gegen die Verfassung des Landes verstoßen. Das ist richtig, aber nur eine Seite der Medaille.

Zelaya wollte eine Volksbefragung durchführen über eine von ihm geplante Verfassungsänderung. Das war sein "Verstoß" gegen die Konstitution, denn nach der honduranischen Verfassung sind Volksbefragungen und Plebiszite zu politischen, sozialen und wirtschaftlichen Theman verboten.

Was sagt man nun dazu?

Diese Klauseln der honduranischen Verfassung sind in jedem demokratischen Staat per se verfassungswidrig. Der oberste Souverän eines jeden demokratischen Staates ist das Volk, und als solcher muß das Volk das Recht haben in Befragungen seine Meinung zu äußern und durch Plebiszite Gesetze oder sogar Verfassungänderungen zu beschließen, und zwar zu jedem möglichen Thema.

Zelaya mag "verrückt" sein, wie die Opposition sagt. Er mag den Militärs und der Oligarchie ein Dorn im Auge sein. Er mag sogar innerhalb seiner eigenen Partei unbeliebt geworden sein. Dennoch ist ein Putsch kein legitimes Mittel, um ihn als Präsident abzusetzen. Er wurde nun mal von der Bevölkerung gewählt, und Wahlen oder ein parlamentarisches Mißtrauensvotum sind die einzigen legitimen Mittel, um einen Regierungswechsel herbeizuführen. 

Kommentar vom Autor =MaBu=, Juli 2009:

Derzeit spielen sich vor dem Flughafen von Tegucigalpa häßliche Gewaltszenen ab. Schwerbewaffnete Militärs gehen gegen unbewaffnete Bürger vor, die sich dort zu zigtausenden versammelt haben, um ihren gewählten Präsidenten, José Manuel Zelaya, im Land willkommen zu heißen. Mindestens zwei Menschen fanden dabei bisher den Tod.

José Manuel Zelaya, der verfassungsmäßige Präsident von Honduras, wollte heute in Begleitung von hochgestellten Persönlichkeiten (zu seinem Schutz) in sein Land zurück kehren, aus dem er vor einer Woche im Zuge eines Militärputsches in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verschleppt worden war.

Als sich sein Flugzeug dem Flughafen der honduranischen Hauptstadt näherte, dekretierte die De-facto-Militärregierung die Schließung des Airports und verhinderte so die Landung der Maschine, während Uniformierte damit begannen mit Tränengas und unter Einsatz von Waffengewalt gegen die vor dem Flughafen wartende Menge vorzugehen.

In einer ersten Reaktion auf diese Vorfälle hat die OAS Honduras aus dem amerikanischen Staatenverbund ausgeschlossen. Weitere Reaktionen der internationalen Staatengemeinde werden folgen. Noch nie in der Geschichte ist ein Putsch so einhellig auf Ablehnung gestoßen.

Marionetten-Präsident Micheletti wird über kurz oder lang wieder abdanken müssen und wird froh sein können, wenn er sich nicht vor einem internationalen Gericht wird verantworten müssen. 

Kommentar vom Autor =MaBu=, 22 Juli 2009: 

Heute, am 22. Juli 2009, lief die 72-Stunden-Frist aus, die der von der OAS eingesetzte Vermittler, der costaricanische Präsident Oscar Arias, der honduranischen Putschregierung gelassen hatte, um seinen Vorschlag zur Überwindung der institutionellen und politischen Krise in dem zentralamerikanisdchen Land zu akzeptieren.

Der am vergangenen Sonntag von Arias präsentierte Vorschlag hatte als wesentliche zwei Elemente enthalten 1. die bedingungslose Wiedereinsetzung von José Manuel Zelaya als Präsident von Honduras und 2. vorgezogene Neuwahlen. Er war von Vertretern der De-facto-Regierung aus Tegucigalpa schroff zurückgewiesen worden.

Keine einzige Regierung der Welt hat bisher das Militärregime in Honduras anerkannt. In der EU werden Stimmen nach Sanktionen lauter, ausgehend v.a. von Spanien, und selbst in den USA verlieren die honduranischen Militärs immer mehr an Sympathien. Barack Obama und seine Partei hatten sich von Anfang an gegen den Putsch ausgesprochen, aber inzwischen gehen auch immer mehr Leute aus dem republikanischen Umfeld auf Distanz, die bisher den Staatsstreich als 'legitim' angesehen haben.

In ganz Lateinamerika stehen die Putschisten sowieso isoliert da.

Es wird spannend, wie es nun weitergehen wird. Präsident Zelaya hat seine baldige, dieses Mal nicht vorangekündigte Rückkehr in sein Land avisiert und schon jetzt den Oberbefehlshaber der honduranischen Streitkräfte dafür verantwortlich gemacht, sollte ihm etwas zustoßen...

In Honduras gehen derweil die massiven Proteste gegen die De-facto-Regierung ununterbrochen weiter. Inzwischen sprechen sich auch viele der Zelaya-Oppositionellen gegen das Vorgehen der Militärs aus und stellen fest: "Wir wollen auch einen Regierungswechsel, aber SO NICHT!" 

Kommentar vom Autor =MaBu=, Juli 2009: 

Fehlenden Mut kann man José Manuel Zelaya, dem gewählten und verfassungsmäßigen Präsidenten von Honduras, wirklich nicht nachsagen!

Nachdem es ihm vor über zwei Wochen nicht gelungen war mit einem Flugzeug auf dem Airport von Tegucigalpa zu landen, weil der Flughafen gesperrt worden war und die honduranische Luftwaffe damit drohte, sein Flugzeug abzuschießen, hat José Manuel Zelaya heute auf dem Landweg die Grenze nach Honduras überschritten.

In einem langen Konvoi, begleitet von Sympathisanten und Unterstützern, hatte er sich der Staatsgrenze zwischen Nicaragua und Honduras genähert, obwohl die De-facto-Regierung in Tegucigalpa erklärt hatte, sie 'könne' für seine Sicherheit nicht garantieren und der honduranische Polizeichef angekündigt hatte, seine Truppen würden "vorliegende Anordnungen" ausführen, d.h. José Manuel Zelaya verhaften, wenn sie seiner habhaft werden können.

Auf honduranischer Seite waren zehntausende Menschen zur Grenze aufgebrochen, die meisten von ihnen zu Fuß, wobei sie Berge und Flüsse überwanden, um ihren gewählten und geliebten Präsidenten in Empfang zu nehmen und zu schützen.

(Man stelle sich das mal in D vor: Wer würde tagelange Fußmärche zurücklegen, um die deutsche Bundeskanzlerin an irgendeiner Grenze zu empfangen?)

Die honduranischen Grenzübergänge waren von Militärs abgeriegelt worden. An dem Grenzposten, an dem José Manuel Zelaya ankam, wollten ihn die Militärs nicht in's Land lassen. Zelaya überschritt den Übergang trotzdem und sprach mit den Militärs. Zwei Stunden lang hielt er sich auf honduranischem Boden auf.

Dann trat er seinen Rückzug an, weil ihn die Militärs ohne Gewaltanwendung nicht hätten weiterkommen lassen.

Jetzt hat er sich in der Nähe der Grenze zu Honduras installiert, um die Vorgänge weiter zu beobachten.

José Manuel Zelaya läßt nicht locker. Und wird wieder nach Tegucigalpa zurückkehren, unterstützt von der internationalen Staatengemeinde.

Lateinamerika und die internationale Situation haben sich verändert seit den 70er, 80er Jahren. Putschisten haben derzeit keine guten Karten. 

Kommentar von ATA, August 2009:  

Zitat:
(Man stelle sich das mal in D vor: Wer würde tagelange Fußmärche zurücklegen, um die deutsche Bundeskanzlerin an irgendeiner Grenze zu empfangen?)

Würde Bundeskanzlerin Merkel solch Risiko eingehen?

Wohl NEIN, denn für den Machterhalt in Deutschland wird bedeutend!! weniger persönliches Risiko benötigt. Das erleichtert auch weniger riskanten Persönlichkeiten im Machtpoker mitzumischen.
Da könnte ein Bettvorleger auch mal zum Papiertiger werden.

Kommentar vom Autor =MaBu=, 22. Sept. 2009:

Knapp drei Monate nach dem Staatsstreich in Honduras gibt es in dem mittelamerikanischen Land immer noch keine Ruhe. Und es wird sie auch nicht geben, bis der verfassungsmäßige und gewählte Präsident, José Manuel Zelaya, wieder in seinem Amt ist. Massendemonstrationen und Streiks gehen weiter.

Nach wiederholten Verurteilungen durch die UNO, OAS, EU und praktisch alle lateinamerikanischen Staaten hat nun die US-Regierung die Einreise-Visa in die USA für den Putschpräsidenten Micheletti, verschiedene seiner 'Kabinettsmitglieder' und die Integranten des Obersten Gerichtshofs von Honduras widerrufen.

Auch der uruguayische Staatspräsident, Tabaré Vázquez, hat während seines Staatsbesuchs in den USA erneut den Putsch in Honduras verurteilt. 

Kommentar vom Autor =MaBu=, 23.Sept. 2009:

Inzwischen hält sich José Manuel Zelaya auf Einladung von Lula in der brasilianischen Botschaft der honduranischen Hauptstadt, Tegucigalpa, auf, wo er Asyl genießt - ein intelligenter Schachzug.

Währenddessen hat das Putschregime allgemeine Wahlen für den 29. 11. 2009 angesetzt. Unter den gegebenen Bedingungen können solche "Wahlen" jedoch nur eine Farce sein.

Nicht nur deswegen hat der costaricanische Staatspräsident, Oscar Arias, seinen Appell zu verhandeln erneuert.

Kommentar vom Autor =MaBu=, 26.Sept. 2009:

Jetzt hat die Putschregierung in Tegucigalpa Gas gegen José Manuel Zelaya, die Angehörigen der brasilianischen Botschaft und unabhängige Journalisten eingesetzt.

Dazu kann man nichts mehr sagen. Dagegen muß gehandelt werden.


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