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Auswandern nach Uruguay

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Bilanz der Regierung Tabaré Vázquez V: Das neue Uruguay (Teil 3)

Geschrieben von Manfred Burger   
Erstellt: Freitag, 26. Februar 2010

Foto: Tabaré Vázquez auf einer Abschieds-Pressekonferenz.Kein Lebensbereich der uruguayischen Gesellschaft blieb so, wie er war. Die erste Frente-Amplio-Regierung hat kein Thema ausgelassen, in allen wichtigen Bereichen neue Realitäten geschaffen und das Land modernisiert.

Hier der letzte Teil unserer Serie "Bilanz der Regierung Tabaré Vázquez", die sich an alle richtet, die sich wirklich für dieses kleine Land am Río de la Plata interessieren. In ihm geht es, etwas untypisch, um die Abtreibungsfrage sowie die in Uruguay erfolgte rechtliche Gleichstellung von nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften sowie von sexuellen Minderheiten.

Foto: Mit der uruguayischen Flagge und Mineralwasser: Der scheidende Staatspräsident von Uruguay, Tabaré Vázquez, verabschiedete sich am Dienstag Rahmen einer Pressekonferenz mit den Worten er gehe "ohne Wehmut, mit erhobenem Haupt und sauberen Händen" (s. Uruguay al Día v. 23. 2. 2010). Am Sonntatg wird er noch eine Ansprache auf der Plaza Independencia halten.

Jahrelange Diskussionen über sensible gesellschaftliche Themen kamen während der Regierungszeit von Tabaré Vázquez durch die Verabschiedung entsprechender Gesetze zu einem vorläufigen Abschluß.

Veto gegen Abtreibung

Spätestens seit März 2006 war das Thema Abtreibung in Uruguay wieder in der öffentlichen Diskussion dank eines Gesetzesprojekts unter der Federführung der Senatorinnen Mónica Xavier und Margarita Percovich, beide dem Regierungsbündnis Frente Amplio zugehörig.

Die Sexualaufklärung sollte verbessert, der Zugang zu Verhütungsmitteln erleichtert und das Recht eines jeden Menschen auf sexuelle Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung dezidierter anerkannt werden. Gewalt und Mißbrauch innerhalb der Familien und Lebensgemeinschaften sollten entschlossener geahndet und den "lustvollen" Aspekten einer Beziehung prinzipiell Vorrang eingeräumt werden vor deren "biologischen" Funktionen.

Auch Abtreibungen während der ersten zwölf Schwangerschaftswochen aus wirtschaftlichen, sozialen und/oder persönlichen Gründen sollten legalisiert werden. Schwangerschaftsabbrüche sollten auch dann erlaubt sein, wenn die Gesundheit der Mutter auf dem Spiel steht und wenn beim Fötus Abnormitäten festgestellt werden, die ein normales Leben außerhalb des Uterus als unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Am 6. Juni 2006 war ein entsprechender Gesetzesentwurf in den Senat eingebracht worden. Fast anderthalb Jahre später, am 11. November 2007, wurde das Gesetz zum "Schutz des Rechts auf sexuelle und reproduktive Gesundheit" ("Defensa del Derecho a la Salud Sexual y Reproductiva") dann von dieser Kammer mit einer Mehrheit von 17 von 29 Stimmen angenommen (s. El País v. 11. 11. 2008). Die zweite uruguayische Parlamentskammer, das Repräsentantenhaus, hatte das Gesetzesvorhaben in einer namentlichen Abstimmung mit 49 zu 48 Stimmen (bei insgesamt 99 Abgeordneten) bereits eine Woche vorher passiert (s. DebateCultural.net v. 5. 11. 2008).

Nachdem ihr Gesetzesprojekt alle parlamentarischen Hürden genommen hatte, erklärte Mónica Xavier, eine der Initiatorinnen des Gesetzes, gegenüber AFP zufrieden: "Daß die uruguayische Legislative ein Gesetz dieser Art verabschiedet hat, bedeutet einen riesigen Fortschritt, der es ermöglicht damit zu beginnen eine historische Schuld gegenüber den uruguayischen Frauen abzutragen in Sachen sexuelle Selbstbestimmung." (s. El País v. 11. 11. 2008).

Sie hatte sich zu früh gefreut. Staatspräsident Tabaré Vázquez, im Zivilberuf Arzt und ein erklärter Abtreibungsgegner, hatte wiederholt angekündigt sein präsidentielles Veto gegen jedes Gesetz einzulegen, das Abtreibungen in irgendeiner Weise zulassen würde. Das erste Mal hatte er das bereits 2005 geäußert. Und am 27. November 2007 z.B. erklärte er klipp und klar: Das Gesetzesvorhaben "enthält sehr positive Elemente, die bewahrt werden müssen, aber es existieren andere, mit denen ich weder unter weltanschaulichen noch unter biologischen Aspekten einverstanden bin."

Nur zwei Tage nach der Approbation des Gesetzesentwurfs durch den Senat legte Vázquez dann, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, im Beisein seiner Gesundheitsministerin, María Julia Muñoz, sein Veto ein gegen die Gesetzesartikel, die die Abtreibung unter gewissen Voraussetzungen erlaubten (s. El País v. 14. 11. 2008).

Um ein präsidentielles Veto aufzuheben, wären 60% oder mehr der Stimmen der anwesenden Abgeordneten jeder der beiden Kammern notwendig gewesen. Wenn alle Mandatsräger an der gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus ("Asamblea General" genannt, "Generalversammlung") teilgenommen hätten, hätte das mindestens 19 Senatoren bzw. 60 Abgeordneten des Repräsentantenhauses entsprochen. Im Senat war die Verteilung der insgesamt 31 Sitze (inklusive Senatspräsident) wie folgt: Frente Amplio: 17, Partido Nacional ("Blancos"): 11, Partido Colorado: 3, während die 99 Mandate des Repräsentantenhauses wie folgt vergeben waren: Frente Amplio: 52, Partido Nacional ("Blancos"): 36, Partido Colorado: 10, Partido Independiente: 1.

Am 20. November trat die Asamblea General zusammen, um über das präsidentielle Veto zu beraten. Wie vorherzusehen kamen die erforderlichen Mehrheiten zur Aufhebung des Vetos nicht zustande. So wurde das Gesetz in einer revidierten Fassung ohne die Abtreibungsartikel beschlossen. Am 10. Dezember 2008 trat es in Kraft (hier der spanische Originaltext: Ley 18.426).

Rechtliche Gleichstellung nicht-ehelicher Partnerschaften

Am 10. Januar 2008 trat das sog. "Konkubinatsgesetz" ("Ley de Unión Concubinaria") in Kraft, durch das nicht-eheliche Lebensgemeinschaften rechtlich Ehen gleichgestellt wurden, wenn die beiden Partner mindestens fünf Jahre ununterbrochen zusammen gelebt haben (hier der spanische Originaltext: Ley 18.246). Dadurch wurde eine gesellschaftliche Realität anerkannt, leben doch gut ein Drittel der Paare in Uruguay ohne Trauschein zusammen.

Die Gleichstellung bezieht sich auf die Bereiche Gütergemeinschaft, Sozialversicherungen, Renten und Pensionen, Erbrecht und Kindererziehung. Um die Gleichstellung zu erhalten, müssen sich die Paare im Standesamt registrieren lassen und sind dann auch dazu verpflichtet das Ende einer Beziehung bekannt zu geben.

Der Gesetzesentwurf war bereits im Jahr 2005 in's Parlament eingebracht worden. Nach jahrelanger Diskussion verabschiedete das Repräsentantenhaus das Gesetz dann am 28. November 2007 (s. El Expectador v. 28. 11. 2007). Der Senat folgte wenig später, am 18. Dezember.

UruGAY: Rechtliche Gleichstellung sexueller Minderheiten

Legalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen

Das o.g. Gesetzesvorhaben (Ley 18.246) zielte auch auf die Anerkennung der "Verschiedenartigkeit" (span. "diversidad") von Paarbeziehungen und schließt gleichgeschlechtliche Verbindungen mit ein. Uruguay wurde damit in Sachen Legalisierung homosexueller Partnerschaften zum Vorreiter in Lateinamerika. (Wenig später folgte dann Kolumbien. In Argentinien werden homosexuelle Konkubinate in Buenos Aires, Villa Carlos Paz, Río Cuarto und der Provinz Río Negro gesetzlich anerkannt, in Mexiko in Mexiko-Stadt sowie im Bundesstaat Coahuila und in Brasilien im Bundesstaat Rio Grande do Sul.)

Mauricio Coitiño vom "Kollektiv schwarze Schafe" ("Colectivo Ovejas Negras"), in dem Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transvestiten und Transsexuelle organisiert sind, hieß das Gesetz als "großen Fortschritt" willkommen, während für den Erzbischof von Montevideo, Nicolás Cotugno, darin eine "Vernebelung der Wahrnehmung fundamentaler moralischer Werte" zum Ausdruck kommt (s. SkyScraperLife v. 28. 12. 2007).

Doch damit nicht genug. Knapp zwei Jahre später wurde auch die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare gesetzlich erlaubt (s. hier und hier). Auch hier übernahm Uruguay wieder die Vorreiterrolle in Lateinamerika (s. hier).

Homosexuelle Paare dürfen Kinder adoptieren

Am 27. August 2009 hatte der Adoptions-Gesetzesentwurf eine überwältigende Mehrheit im Repräsentantenhaus erhalten (s. El País v. 27. 8. 2009). Im Senat war ein erster Entwurf bereits am 15. Juli 2009 akzeptiert worden. Die endgültige Fassung des Gesetzestextes wurde dann am 9. 9. 2009 vom Senat verabschiedet (s. El País v. 9. 9. 2009). Am 16. Oktober 2009 trat das Gesetz in Kraft (s. Ley 18.590).

Foto: Schwule dürfen in Uruguay jetzt Kinder adoptieren.

Foto: Schwules Paar mit Kind.

Eine bekannte uruguayische Persönlichkeit äußerte zum Thema: "Wer sich für eine Lebensform entschieden hat, die die Zeugung von Kindern ausschließt, sollte auch keine haben dürfen." Wenn Sie mir einen persönlichen Kommentar gestatten: Dem schließe ich mich absolut an. Ich jedenfalls bin absolut froh darüber, daß ich in einer normalen Familie aufwachsen durfte.

Zulassung Homosexueller zu Militär und Polizei

Im Mai 2009 ermöglichte Tabaré Vázquez durch die Streichung einer Bestimmung, die gleichgeschlechtliche Beziehungen als "Störung" definierte, die Zulassung von Homosexuellen zu Militär und Polizei (s. La Nación v. 14. 5. 2009).

Fortsetzung dieser Politik unter Mujica

Die künftige Regierung Uruguays wird mit dieser Politik fortfahren. In seinem Radioprogramm sagte der gewählte Präsident, José Mujica, vor wenigen Tagen: "Wir müssen ein lautes Nein sagen zur Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung" (s. Friendly Map v. 24. 2. 2010).


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