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Auswandern nach Uruguay

Auswandern nach Uruguay

Berlin: Samstag 20.04.24 12:18 | Montevideo: Samstag 20.04.24 07:18

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Bilanz der Regierung Tabaré Vázquez III: Das neue Uruguay (Teil 1)

Geschrieben von Manfred Burger   
Erstellt: Donnerstag, 18. Februar 2010

Foto: Tabaré Vázquez nach seinem überwältigenden Wahlsieg vom 31. Oktober 2004 auf dem Balkon des 'Hotel Presidente', das das Wahlkampf-Headquarter des Frente Amplio gewesen war.Ohne jede Übertreibung und ohne pathetisch zu werden kann man sagen, daß die erste Frente-Amplio-Regierung Uruguays unter der Ägide von Tabaré Vázquez ein neues Uruguay geschaffen hat: moderner, sozialer, partizipativer.

Dieser Artikel und die geplanten weiteren zwei Teile sollen einen Eindruck von der neuen Politik und dereingeschlagenen Richtung vermitteln.

Foto: Der frischgewählte uruguayische Präsident, Tabaré Vázquez, nach seinem überwältigenden Wahlsieg vom 31. Oktober 2004, als er den Legende gewordenen Ausspruch tat: "Feiert, Uruguayer, feiert!" ("Festejen, Uruguayos, festejen!").

Unter der ersten Frente-Amplio-Regierung wurde hier zum ersten Mal seit der Proklamation der nationalen Unabhängigkeit am 25. August 1825 einePolitik für ALLE Uruguayer/innen gemacht, nicht nur für dieWohlhabenden (s. Ein anderer Politikstil).

Die Hauptschwerpunkte der Politik der Vázquez-Regierung waren (s. Sofortprogramm der Regierung Vázquez):

  • 1. Die schlimmsten sozialen Notsituationen beheben bzw. zumindest lindern (Stichworte: "Manche können nicht warten" - "Algunos no pueden esperar" und "Pobreza zero" - "Null Armut");
  • 2. Steigerung der Produktivität und des Produktionsvolumens von Wirtschaft und Landwirtschaft, verbunden mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze (Stichwort: "Produktives Uruguay" - "Uruguay productivo");
  • 3. Modernisierung der Gesellschaft nebst technologischer und wissenschaftlicher Innovation;
  • 4. Bessere Integration der verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren und Stärkung der Demokratie;
  • 5. Eine Außen- und Bündnispolitik, die die Position Uruguays stärkt und auf den Prinzipien der nationalen Souveränität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes basiert.

In bezug auf Letzteres sagte Vázquz in seiner Antrittsrede: "Schon von Beginn unserer Regierungsperiode an muß jedem klar sein: Wir dulden keinerlei Einmischungen von außen in unsere inneren Angelegenheiten. Die Probleme der Uruguayer lösen wir unter Uruguayern" (s. XinhuaNet.com v. 2. 3. 2005).

Erste Maßnahmen

  • Die allererste Maßnahme von Tabaré Vázquez, vollzogen noch während seiner Amtseinführung, war die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Kuba (seit 1962 von den USA boykottiert), die sein Amtsvorgänger Batlle aufgekündigt hatte - ein richtungsweisender und positionsbestimmener Akt.

  • Sofort nach Amtsantritt der neuen Regierung wurde die Gründung des Ministeriums für soziale Entwicklung (Ministerio de Desarrollo y Participación Social - MIDES) in die Wege geleitet, das wenige Wochen später seine Arbeit aufnahm (s. auch Das erste Kabinett der Regierung Vázquez). Vorher hatte es ein solches Ministerium gar nicht gegeben! Auch das war richtungsweisend.
  • Eines der ersten umgesetzten Regierungsprogramme, wenn nicht das erste schlechthin, war der Nothilfeplan für die Ärmsten "Panes", der unter dem Motto stand: "Manche können nicht warten" ("Algunos no pueden esperar") - auch dies richtungsweisend.

  • Eines der ersten Dekrete war die Einführung eines Rauchverbots in geschlossenen öffentlichen Räumen (Büros, Restaurants etc.), verbunden mit einem Verbot der Werbung für Rauchwaren. Dies wurde sekundiert durch eine deutliche Anhebung der Tabaksteuer und damit der Konsumentenpreise für Rauchwaren. Außerdem wurden die Rauchwarenhersteller dazu verpflichtet abschreckende Bilder und Slogans auf ihren Packungen anzubringen, die 80% der Verpackungs-Vorder- und -Rückseite bedecken müssen.

Eine neue Sozialpolitik

Das wichtigste erklärte Ziel der Regierung Vázquez war die Bekämpfung der Armut, verbunden mit einer Erhöhung der Chancengleichheit und der gesellschaftlichen Integration sowie der Schaffung einer gerechteren Einkommensverteilung. Und dabei ist sie auch einen großen Schritt vorangekommen, wurde doch der Prozentsatz der Armen in der Bevölkerung in den zurückliegenden fünf Jahren um über 35% reduziert, von über einer Million Anfang 2005 auf ungefähr 650.000 heute. Das entspricht aktuell rund 20% der Bevölkerung (s. Armut in Uruguay).

Jetzt gilt es in dieser Richtung weiter zu arbeiten, um das Ziel "Pobreza zero" ("null Armut") ganz zu erreichen.

Eckpunkte der neuen Sozialpolitik sind, neben dem bereits erwähnten Nothilfeplan für die Ärmsten, "Panes":

  • Der "Plan Ceibal", nach dem jede/r Schüler/in einer öffentlichen Schule einen eigenen Laptop mit Internetzugang erhalten sollte - und auch erhielt (s. dazu hier, hier und hier)! 

  • Der "Plan Cardales", mit dessen Umsetzung die Vázquez-Regierung Ende August 2009 begann. Ziel dieses Plans ist es die neuen Technologien Internet, Mobiltelefonie und Kabelfernsehen allen uruguayischen Haushalten zugänglich zu machen, um die Chancengleichheit in bezug auf den Zugang zu Informationen, die Wahrnehmung von Arbeitsmöglichkeiten (z.B. über das Internet) aber auch die Gestaltung der Freizeit herzustellen bzw. diesem Ziel näher zu kommen (s. hier). Im Moment wird die weitere Umsetzung des Plans Cardal von Beratern und Experten der kommenden Regierung geplant (s. El País v. 2. 2. 2010).

  • Die Schaffung des "Integrierten Nationalen Gesundheitssystems" ("Sistema Nacional Integrado de Salud" - SNIS), dessen erste Phase am 1. Januar 2008 in Kraft trat und von dem zigtausende von uruguayischen Familien profitieren, v.a. Kinder und Rentner (s. hier). Erstmals ist es dadurch allen Uruguayer/innen, die einen formalen Arbeitsplatz haben, (finanziell) möglich sich privat krankenversichern zu lassen.

  • Im Rahmen des Programms "Tausende von Wundern" ("Miles de Milagros") wurde am 24. Juli 2009 der 10.000ste Patient vom Grauen Star befreit - kostenlos! Zehntausend Menschen erlangten so ihr Augenlicht wieder (s. La República v. 24. 7. 2009)!!!

All das wäre ohne den Frente Amplio niemals in Uruguay möglich gewesen.

Wirtschaftspolitik und Steuerreform

Die Wirtschaftspolitik der Regierung Vázquez war sehr erfolgreich, was sich niederschlug in (immer bezogen auf den Fünfjahres-Zeitraum der Regierungsperiode):

  • ...einem daramtischen Anstieg des Bruttoinlandprodukts um die 40%;

  • ...einer drastischen Reduktion der Arbeitslosigkeit, die von 13% auf 7,5% fiel - ein historischer Tiefststand;

  • ...einem deutlichen Anstieg der Reallöhne um durchschnittlich rund 20%.

Energiepolitisch schloß die Vázquez-Regierung strategische Abkommen u.a. mit Venezuela und Bolivien (siehe z.B. Evo Morales in Uruguay: Erdgas gegen Meerzugang). Das erste Abkommen mit Venezuela war gleich nach Vázquez's Regierungsantritt paraphiert worden. Hugo Chavez war eines der sieben lateinamerikanischen Staatsoberhäupter gewesen, die anläßlich der Regierungsübernahme von Tabaré Vázquez nach Montevideo gekommen waren.

Die umfassende Steuerreform der Vázquez-Regierung, in Kraft getreten am 1. Juli 2007, war ein Opus Magnum, das fast dem herkulianischen Ausmisten eines Augiasstalls gleichkam, durchgeführt unter der Regie des damaligen Wirtschaftsministers und künftigen Vizepräsidenten, Danilo Astori.

Durchdiese Neugestaltung wurde dasuruguayische Besteuerungssystem vereinheitlicht und effizientergestaltet. Sonder- und Ausnahmeregelungen wurden auf einMinimum reduziert. Der Fiskus sollte durch die Reform wedermehr noch weniger einnehmen (Nullsummenspiel).

Außenbeziehungen und Mercosur

Die Wiederaufnahmeder Beziehungen zu Kuba stand emblematisch für die neue Orientierung indenAußenbeziehungen Uruguays: Weg von der Fixierung auf das "Imperium imNorden" (die USA), und hin zu verstärkten Beziehungen vor allem mitanderen Ländern Lateinamerikas, aber auch mit dem 'Rest' der Welt (vgl.El Espectador v. 5. 10. 2004).

Eine gewisse Umorientierung fand auch in bezug auf die traditionellen Handelspartner Argentinien und Brasilien statt - Konsequenzen a) aus der Brasilienkrise von 1999 und der Argentinienkrise mit ihrem Höhepunkt im Jahr 2002, die Uruguay schwer in Mitleidenschaft gezogen hatten, und b) aus der desolaten Verfassung des Mercosur ("Gemeinsamer Markt des Südens" - "Mercado Común del  Sur").

Die beiden Großen im Mercosur, Brasilien und Argentinien, schalten und walten dort nach Gutdünken, schließen bilaterale Abkommen und ignorieren die beiden kleinen Partner, Paraguay und Uruguay. Mehr noch: Mit dem Mercosur-'Partner' Argentinien befindet sich Uruguay seit Jahren in einem schweren Konflikt wegen der Zellulosefabrik Botnia, mit Blockaden des Grenzübergangs bei Fray Bentos und einem Rechtsstreit vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (s. Jahrelanger Dauerkonflikt zwischen Argentinien und Uruguay). Die Institutionen des Mercosur haben sich darum überhaupt nicht gekümmert.

Angesichts solcher Umstände ist es nicht verwunderlich, daß Vázquez klar und deutlich erklärte, ein solcher Mercosur nütze Uruguay überhaupt nichts, und sogar die Opposition plichtete ihm bei (s. auch Uruguay unzufrieden mit dem Mercosur).

Es wurde hier laut über Alternativen nachgedacht, z.B. über ein Freihandelsabkommen mit den USA nach chilenischem Modell, und Vázquez besuchte während seiner Präsidentschaft sehr vieleLänder, von Rußland über China bis zu den USA, von Chile über Venezuelabis Mexiko, von Spanien über Deutschland bis Finland. Überall trat erals Botschafter von Demokratie und Frieden auf, und vor allem warb er für Uruguay und dessenProdukte und Investitionsmöglichkeiten. Bei vielen seiner Staatsbesuchewurden konkrete Handels- und andere Abkommen geschlossen bzw. in dieWege geleitet (siehe z.B. Neue bilaterale Abkommen zwischen Uruguay und Mexiko).

Bezüglich der beiden großen Konflikte in Lateinamerika der jüngsten Vergangenheit, dem Putsch in Honduras gegen die Regierung Zelaya und der Erweiterung der US-Militärpräsenz in Kolumbien, bezog Vázquez eine glasklare Position, indem er beide kategorisch ablehnte, getreu seinen demokratischen Prinzipien (s. La República v. 7. 8. 2009).

 

Forschung und Umweltschutz

Auch die Forschungsförderung war eines der strategischen Ziele derRegierung Vázquez, und der Umweltschutz wurde zum ersten Mal in Uruguayvon einer Regierung wirklich ernst genommen. Besonderes Augenmerk galt dabei den uruguayischen Küsten und Stränden.

DieZellulosefabrik Botnia steht dem nicht entgegen, unterliegt diese dochstrengsten Umweltschutz-Auflagen, und verbrauchtes Holz muß wiederaufgeforstet werden.

Näheres finden Sie in den nachstehenden Links: 

Neues Einwanderungsgesetz

Unter der Ägide des Frente Amplio wurde auch ein neuesEinwanderungsgesetz verabschiedet (hier der spanische Originaltext: Ley 18.250vom 17. Januar 2008). Dabei wurde nichts Substantielles geändert. Diepraktischen Konsequenzen des Gesetzes und seinerAusführungsbestimmungen sind, stets aktuell, hier zu finden: Einwanderungsbestimmungen für Uruguay.


Weiterführende Artikel in diesem Uruguay-Magazin:

 


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