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Auswandern nach Uruguay

Auswandern nach Uruguay

Berlin: Mittwoch 24.04.24 13:29 | Montevideo: Mittwoch 24.04.24 08:29

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Der uruguayische Karneval: Da verblassen die Funkenmariechen!

Geschrieben von Manfred Burger   
Erstellt: Montag, 28. September 2009

Auch in Uruguay wird der Karneval offiziell am 11. 11. 11:11 Uhr eingeläutet und endet am Faschingsdienstag bzw. Aschermittwoch.

Dazwischen, davor und danach ist jedoch alles anders, als wir es aus Deutschland kennen, und erinnert viel mehr an Río de Janeiro denn an Köln oder Mainz, weswegen man auch versucht ist den Karneval von Montevideo als "kleine Schwester" des Karnevals von Río zu bezeichnen.

Und nicht zu vergessen: Montevideo ist die Iberoamerikanische Karnevals-Hauptstadt 2009-2010!

Karneval im Sommer zu feiern ist für gebürtige 'Nordlichter' erst einmal gewöhnungsbedürftig. Aber vielleicht sind es ja gerade die warmen Außentemperaturen, die auch die 'Temperaturen' der hiesigen Faschingsveranstaltungen oft bis in den roten Bereich ansteigen lassen.

Eine Besonderheit des uruguayischen Karnevals ist, daß er viele Wochen lang intensivgefeiert wird. Er gilt als der längste Karneval der Welt und ist eine regelrechte Volksleidenschaft, gefeiert mit täglichen Straßen- undBühnenauftritten ("Tablados"), v.a. im Freiluft-Sommertheater von Montevideo ("Teatro de Verano" im Parque Rodó), nebst vielenimprovisierten Darbietungen auf öffentlichen Plätzen, in Parks,Kneipen und anderen Orten.

Bühnenkarneval in Uruguay.

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Foto: Szene eines "Tablado" des uruguayischen Karnevals.

Eine weitere Besonderheit ist, daß es sozusagen zweiKarnevale gibt: einen 'schwarzen' und einen 'weißen', die sichharmonisch komplementieren und gegen Ende in einem großen Finalevereinigen. Dritte Besonderheit: Es kann durchaus vorkommen, daß auchnach dem Aschermittwoch noch weiter gefeiert wird undKarnevalsveranstaltungen auch außerhalb der 'Saison' stattfinden.

Der uruguayische Karneval ist zwar nicht so opulent wie der von Río undauch nicht ganz so freizügig. Es gibt keine meterhohen Wagen, keineKostüme und Ausstattungen, die Tausende kosten, und nur ganz selten,wenn überhaupt, blanke Busen. Es spielt sich alles mehr auf der Erdeab, und der Fantasie wird auch etwas mehr Raum gelassen, indem trotzviel Haut weniger nackte Tatsachen gezeigt werden.

Dennoch kommt man sich hier so vor, als ob hier Rhythmus, Lebensfreude und Minitangas erfunden worden wären.

Canmdombe-Tänzerin des uruguayischen Karnevals.

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Foto: Die hiesigen Funkenmariechen heißen"Vedettes", und die lassen ihre deutschen Kolleginnen als etwasspröde erscheinen, auch wenn jene ihre Beine noch so hoch schlagenmögen.

Die Vedettes sind die Primaballerinas der Lubolo-Gruppen (s.u.), undsie verdeutlichen jedem Kerl, was das eigentliche (uneingestandene?) Ziel seiner feuchtesten Träume ist.

Karnevalsgruppen und Paraden

Wie in Río werden auch hier die besten Karnevalsgruppen, nach Kunstgattungenunterteilt (s.u.), mit attraktiven Geldpreisen prämiert, weswegen die Auftritte im "Teatro de Verano" und bei den Karnevalsumzügen von einer Jury nach genau festgelegten Richtlinien bewertet werden.

Es gibt verschiedene Kategorien von Karnevalsgruppen. Die beiden traditionellesten und für Uruguay typischsten sind die "Murgas" (spanischen Ursprungs), eine Artmusikalisches Kabarett mit politischem und schwarzem Humor, und die "Lubolos" (eine echte Besonderheit!), mit ihrer afrikanisch geprägten, farbenprächtigen und sinnlichen Musikpantomime "Candombe" zweifellos der attraktivste und typischste Bestandteil des uruguayischen "Carnaval".

Daneben gibt es noch "Humoristas", "Parodistas" und "Revistas", die alle viel Blödsinn machen. Und alles wird beherrscht von viel, viel Musik und Rhythmus.

Schönheitsköniginnen des uruguayischen Karnevals.

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Foto: Die Karnevalsköniginnen dürfen natürlich auf keinem Umzug fehlen.

Das Ganze kulminiert in zwei großen Paraden:

  • Dem "Desfile de las Llamadas" ("Parade der Rufe"), dem 'schwarzen' 'Umzug', der in den traditionellen Stadtvierteln "Sur" und "Palermo" zelebriert wird (mit erheblichen 'weißen' Beimischungen) und den absoluten Höhepunkt des uruguayischen Karnevals darstellt. (Die "Llamadas" können sich schon mal über zwei Tage erstrecken, wegen der großen Zahl der teilnehmenden Gruppen.)

  • Dem "Desfile de Carnaval" ("Karnevalsparade"), dem großen Finale der uruguayischen Fastnacht auf der Montevideaner Main Street, der Avenida des 18. Juli, wo der 'weiße' Karnevalsumzug aufmarschiert, mit 'schwarzer' Sekundierung. (Auf der Avenida des 18. Juli findet auch die Auftakt-Parade des Karnevals statt.)

Viele Menschen beim Desfile de las Llamadas 2009 in Montevideo.

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Foto: Viele Menschen kommen jedes Jahr zum "Desfile de las Llamadas" in der Calle Isla de Flores im Barrio Sur von Montevideo, so auch 2009.

Auf dem "Desfilede las Llamadas" kommt man sich wie in Klein-Río vor, wenn manall diese berstende Lebensfreude, die vielen tanzenden Menschen, dieFarben, die Rhythmen, die zuckenden Hüften und die leicht bekleidetenMulattinnen und Nicht-Mulattinnen sieht bzw. hört.

Die teilnehmenden Gruppen umfassen meist mehr als 100 Akteure. Davon gehören rund die Hälfte zu den jeweiligenTrommlerkorps ("Cuerda de Tambores"), die mit ihren Tamboren denunverwechselbaren akustischen Hintergrund des uruguayischen Karnevalserzeugen.

Angehörige aller sozialer Schichten reißen sich darum im "Desfile de las Llamadas" als Tänzer/in oder Trommler ("Tamborilero") mitmarschieren zu dürfen. Von meinem Ex-Zollagenten bis hin zur Prinzessin Laetitia D'Aremberg, Eigentümerin der uruguayischen Muster-Estancia "Las Rosas" in Florida und Präsidentin von Mitsubishi Motors Uruguay, kann man dort alle und jeden antreffen.

Video: Ein fast elfminütiger Mitschnitt einer TV-Übertragung des "Desfile de las Llamadas" 2009 live vom Ort des Geschehens: der Calle Isla de Flores im Barrio Sur von Montevideo.

Natürlich findet der uruguayische Karneval nicht nur in der Hauptstadt statt. Jeder größere Ort hat seine Karnevalsumzüge und Tablados, und jedes Departamento kürt seine Karnevalsköniginnen...

Uruguayische Canmdombe-Tänzerin aus dem Landesinneren.

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Foto: Auch im Landesinneren geht es während des uruguayischen Karnevals zünftig ab.

Murgas und Kollegen: Der 'weiße' Karneval

Die uruguayischen Murgas sind Volkskultur pur.

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Die Murgas sind richtige Volkskultur. Hiermachen der Nachbar mit und der Arbeitskollege, wie auch in denLubolo-Gruppen (s.u.). In der (natürlich fiktiven) Liste "Die wichtigsten Elemente uruguayischer Identität" rangieren sie auf jeden Fall unter den Top 10, nur knapp hinter Mate-Tee, Asado und José Artigas.

Die uruguayischen Murgas werden dieses Jahr 100 Jahre alt. Die erste Murga war hier 1909 gegründet worden.

Uruguayische Murga - 100% Volkskultur.

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Die Murga-Mitglieder tragen bunte Kostüme und Kopfbedeckungen,haben bemalte Gesichter, bewegen sich synchron, erzeugen Melodien undsingen einzeln oder im Chor Worte dazu.

Ich persönlich habe die Murga-Gesänge noch nie verstanden, obwohl ich perfekt Spanisch spreche und seit über 17 Jahren hier lebe. Aber man muß ja nicht alles begreifen und den Mut zur Lücke haben ;-)

Auch was der genaue Unterschied ist zwischen"Humoristas", "Parodistas" und "Revistas" entzieht sich, ehrlich gesagt, meinerbescheidenen Kenntnis. Sie sind halt alle irgendwie Karnevals-Komiker, die einbischen die Sau rauslassen, mehr oder weniger intelligent.

Montevideo: Stadt der Murgas.

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Die Murgas machen eine Art"Sozialkritik von unten", den Büttenrednern in Deutschland sehr entfernt vergleichbar. In den letzten Jahren sind Murga-Elemente Dank der gestiegenen Popularität dieser Kunstform auch in die Welt des klassischen Theaters und die Popmusik eingedrungen.

Die Murgas sind übrigens Männersache. Frauen sind hier praktisch nur im Publikum anzutreffen.

Murga-Auftritt anläßlich der Amtseinführung von Präsident Tabaré Vázquez am 1. März 2005.

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Foto: Szenenbild einer Murga-Aktuation anläßlich der Amtseinführung von Präsident Tabaré Vázquez am 1. März 2005.

Murga auf einem 'Tablado'.

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Obiges und nachfolgende Bilder: Murgas in Aktion auf einem "Tablado". Sie sehen schon abenteuerlich aus, diese Burschen, und das Ganze macht wohl auch mächtig Spaß!

Murga auf einem Tablado.

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Die Murgas sind Volkskultur in Uruguay.

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Uruguayische Murga.

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Lubolos und Candombe: Der 'schwarze' Karneval

Candombe ist eine gewaltige, farbenprächtige, rhythmische und auch schweißtreibende Anstrengung, um die menschliche Vernunft schachmatt zu setzen. Viele Leute sagen, Candombe sei die authentischste uruguayische Kunst- und Kulturform schlechthin. Außerdem existiert der Candombe nur hierzulande...

Candombe-Tänzerin auf dem uruguayischen Karneval.

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Foto: Die Fronttänzerin ("Vedette") Berta Slepovich und Tamborileros der uruguayischen Candombe-Combo "Generación Lubola" ausMaldonado. Gegen solch ein Arsenal 'biologischer Waffen', sekundiert von 'animalischem' Getrommel, hat die männliche Ratio keine Chance.

Die Primaballarina der "Generación Lubola" gilt derzeit als eine der beliebtesten Candombe-Tänzerinnen Uruguays. Haben Sie eine Erklärung dafür? Vorsicht beim Vergrößern des Bildes ;-)

Der Candombe hat afrikanische Wurzeln. (Ca. 6% der uruguayischen Bevölkerung sind Nachfahren afrikanischer Sklaven.) Er existiert ausschließlich im städtischen Milieu und ist -im Gegensatz zur Gaucho-Folklore, die mehr der Vergangenheit als der Gegenwart angehört- sehr lebendig. Seine Geschichte in Uruguay reicht über 200 Jahre zurück, bis zu den Anfängen der Sklaverei hierzulande.

Aktenkundig ist, daß bereits 1808 von der weißen Bevölkerung Montevideos gefordert wurde, die "Tangos" (Tänze) der Schwarzen zu verbieten, da sie ein Verstoß gegen die 'guten Sitten' seien.

Seine große Zeit hat der Candombe jedes Jahr während des Karnevals, mit vielen Straßen- und Bühnenauftritten, wobei das "Desfile de las Llamadas" den Climax darstellt.

Der Name "Desfile de las Llamadas" ("Parade der Rufe") ist eine Reminiszenz an vergangene Zeiten, in denen jede schwarze Wohnsiedlung ihre eigene Candombe-Truppe ("Comparsa") hatte, die alle über ihre eigenen Rhythmen verfügten. Die Trommelsignale wurden dazu verwendet, die Gruppenmitglieder zu Versammlungen etc. zu 'rufen'.

Außerdem: Wenn die Komparsen auszogen -und das war häufig der Fall- dienten die Trommelrhythmen zur Identifizierung der Gruppe: eine Art akustische Visitenkarte.

"Candombe" ist in seinem etymologischen Ursprung schlicht und einfach die Bezeichnung des Orts, wo die Mitglieder einer Comparsa zusammenkamen, um ihre Riten und Tänze aufzuführen, die allem Anschein nach einen hohen Vergnügungswert hatten, da es immer einige Weiße gab -darunter auch 'Herren' und Gutsbesitzer-, die sich unter die Schwarzen mischten, wohl auf der Suche nach etwas Zerstreuung und einer holden Maid.

Um nicht sofort als Weiße erkannt zu werden, verkleideten sich diese Herrschaften für ihre nächtlichen Ausflüge und malten sich schwarz an. Die Schwarzen ihrerseits tauften diese bleichgesichtigen 'Eindringlinge' "Lubolos", was soviel heißt wie "als Schwarze angemalte Weiße".

Heute nennen sich die Candombe-Comparsas mit einem Schuß Selbstironie selbst "Lubolos", und die Zusammensetzung der Gruppen ist ja auch meist hautfarbenübergreifend.

Der uruguayische Präsident Tabaré Vázquez als Tamborilero.

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Foto: Umgeben von Candombe-Schönheiten und anderen Mitgliedern der Comparsa "Bola 8", übt sich der uruguayische Regierungschef, Tabaré Vázquez, als Tamborilero.

Doch nicht nur während des Karnevals ist der Candombe in Montevideo und anderen uruguayischen Städten präsent. Auch heute noch kann man an Wochenenden und Feiertagen in den erwähnten Vierteln "Palermo" und "Sur", aber auch in der Altstadt und der Hafengegend und selbst auf der Avenida 18 de Julio und anderswo häufig Amateur-Candombe-Grüppchen auf der Straße sehen und hören. (Hier ein nettes und sehr realistisches Video zum Thema.)

Und selbstverständlich treten Candombe-Gruppen auch in Shows und auf Festen auf. 

Alltags-Candombe.

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Foto: "Alltags-Candombe" in Montevideo, hier auf der Feria in der Calle Tristán Narvaja, Montevideos größtem Trödelmarkt.

Nicht selten ziehen an Wochenenden und wann auch immer mit Tamboren ausgestattete junge und nicht ganz so junge Leute durch die Städte, um mit ihrem Getrommel ein bischen Geld zu verdienen. Das ist der "Haste-mal-nen-Peso-Candombe", der mit dem richtigen Candombe nur peripher etwas zu tun hat.

Candombe ist schwarz

Die Ursprünge des Candombe liegen, so wird gesagt, irgendwo in der Gegend von Angola. Bis in die Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts wurde der Candombe ausschließlich von Schwarzen gelebt und praktiziert. Heutzutage finden sich, neben vielen Mulatt/innen, auch Weiße in den Candombe-Gruppen, sozusagen 'legalisierte' "Lubolos".

Candombe ist schwarz.

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Foto: Candombe ist schwarz! Hier eine Vedette des "Desfile de las Llamadas" von 2007.

Candombe ist Rhythmus

Candombe, das sind Tambore, klassischerweise in drei Größen -Chico, Repique und Piano-, die heutzutage bei Bühnenauftritten natürlich von 'modernen' Instrumenten und Sänger/innen begleitet werden.

Auf Umzügen wie der "Parade der Rufe" geht es jedoch ganz klassisch zu: Eine Heerschar von Tamborileros ("Cuerda de Tambores") bildet als gigantische menschliche Rhythmusmaschine das Zentrum und Fundament jeder Gruppierung. Hinzu kommen die klassischen Figuren einer Comparsa: "Mama Vieja", "Gramillero" und "Bastonero" (s.u.). Allen voraus gehen die Fahnenschwinger, dicht gefolgt von den Tänzerinnen (seltener auch von männlichen Tänzern), die in der Regel von einer Primaballerina ("Vedette") angeführt werden. (Manche Comparsas haben auch mehr als eine Vortänzerin.)

Desfile de las Llamadas: Fahnenträger.

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Foto: Fahnenträger einer Comparsa beim "Desfile de las Llamadas" 2009.

Die Fahnenträger verrichten Schwerstarbeit, denn die Fahnen dürfen den Boden nie berühren - und so ein Umzug dauert Stunden! Dabei können die Fahnen noch viel größer sein als die auf dem obigen Bild. Da braucht der Mann kein Gym, um sich fit zu halten.

Cuerda de Tambores der Comparsa 'Zumbaé', Uruguay.

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Foto: Die "Cuerda de Tambores" der Comparsa "Zumbaé" beim "Desfile de las Llamadas" 2009.

Die Tambores von Yambo Kenia.

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Foto: Tamborileros der Comparsa "Yambo Kenia" bei den "Llamadas" 2009. So mancher Karnevalstrommler beendet die Parade mit blutig geschlagenen Fingern und halb bewußtlos. Nach stundenlangem Hämmern auf den Tambor ist das auch kein Wunder. Es gilt das Motto: "Wat mot, dat mot!"

Candombe ist Lust und Lebensfreude

Ursprünglich war Candombe auch ein magischer Ritus zur Austreibung vonKrankheit und Übel, ebenso wie eine magische Invokation vonFruchtbarkeit und Leben. Und das ist Candombe bis heute: Candombe ist 'Feeling' und Ausdruck von Lebensfreude. Candombe, das sind rollende Hüften, zuckende Beine, vibrierende Körper und eine ausgeschaltete Vernunft.

Candombe: Rhythmus und Lebensfreude.

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Foto: Candombe-Tänzerin und "Cuerda de Tambores" - Lebensfreude pur.

Die Figuren einer Lubolo-Comparsa

Eine traditionelle Comparsa besteht, neben den zahlreichen verschiedenen Tamboren und den Fahnenträgern, aus den folgenden Persönlichkeiten, die alle ihre ganz charakteristischen Tanzformen haben:

1.) Die Matriarchin oder 'Königin' des Stammes (heute "Mama Vieja", die "Alte Mutter" genannt), in aller Regel eine nicht ganz schlanke Matrone, ausgerüstet mit einem Fächer, einem Häubchen und einer Unzahl von Röcken, bewegt sich eher bedächtig-graziös, um jedoch bisweilen beim Einsetzen des Tamborwirbels ihre Beine nur so um sich zu schmeißen.

Mama Vieja, Gramillero und Tänzerinnen.

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Foto: Eine "Mama Vieja" in Aktion, wie es sich gehört mit Fächer, Häubchen und weiten Röcken. Daneben ihr 'Gemahl', der 'tatterige' "Gramillero" mit Zylinder, Stock und Nikolausbart, revitalisiert durch die jungen Tänzerinnen.

2.) Ihr Gemahl ist der Medizinmann oder "Gramillero", seiner Profession gemäß für die Gesundheit seiner Schäfchen verantworlich. Der Gramillero ridikulisiert in seinem Auftritt auch die "Lubolos", daher sein etwas grotesk anmutendes Styling und seine linkische Art sich zu bewegen.

Schon etwas angejahrt (zumindest gemäß seiner Rolle; oft verbirgt sich dahinter ein junger Tänzer), ist er mit Zylinder, Spazierstock und einem Nikolausbart (zur Verdeckung des Gesichts!) ausgestattet und tanzt etwas tatterig und stacksig -aber wie!- um seinen Stock herum, wobei ihm regelmäßig durch den Anblick der jungen, gazellenhaften Tänzerinnen wie von magischer Hand neues Leben eingflößt wird, was ihn dann in elektrische, eksatatische Bewegungen verfallen läßt und jedes Mal zu ehelichen Problemen mit der Mama Vieja führt, die dann auch ganz plötzlich verjüngt und sich gar nicht mehr so matronenhaft gebärt.

3.) Der "Stabmann" ("Bastonero") hat die Aufgabe mit seinem magischen Stock nach neuen Wegen für sein Volk zu suchen. Er hat den vielleicht spektakulärsten Auftritt, und wenn man ihn mit seinem durch die Lüfte und überall herumwirbelnden Stock hantieren sieht, fragt man sich, ob sich Einstein nicht vielleicht geirrt hat mit seiner These, daß die Lichtgeschwindigkeit die größtmögliche erreichbare Geschwindigkeit sei.

Der Stock wirbelt um Körperteile herum, von denen man bis zu diesem Augenblick gar nicht wußte, daß sie existieren, und es ist unglaublich, wie der Mann bei all dem Gewirbel die Kontrolle behalten und zudem noch tanzen kann.

4.) Die Tänzerinnen ("Molembas de Ebano" - "Ebenholz-Gazellen") verkörpern "Jugend" und "Freude". (Wer etwas anderes dachte, hat seinen Machismo noch nicht ganz bewältigt ;-) Bevor man sie gesehen hat, hätte man nicht geglaubt, daß man alle Körperteile so unabhängig voneinander und so schnell bewegen kann.

Candombe-Tänzerinnen: Nicht umsonst werden sie 'Ebenholz-Gazellen' ('Molembas de Ebano') genannt.

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Foto: Als "Ebenholz-Gazellen" ("Molembas de Ebano") werden sie bezeichnet, die Candombe-Tänzerinnen, die meist hübsche, junge Mulattinnen sind. Mit ihrer sprühenden Erotik bringen sie Tote zur Wiederauferstehung.

Mit ihrer wissenschaftliche anatomische Studien ermöglichenden leichten Bekleidung würden sie im Winter im Freien sicherlich etwas frieren. (Mehr kann ich dazu nicht sagen, sonst bekomme ich vielleicht Probleme mit dem Webseitenbetreiber ;-)

5.) Die Vortänzerin ("Vedette") ist, wie auch der übrige Tanzkörper, ein relativ neues Element einer Comparsa und ein Tribut an die Moderne. Sie muß definitiv mehr können als nur mit den Hüften und T...en zu wackeln.

Sie muß wirklich tanzen können, braucht viel Charisma und Ausstrahlung und eine unglaubliche Menge Energie, denn so eine Parade dauert viele Stunden, und am Ende muß sie immer noch lächeln und fit sein. Sie ist das Zentrum der Aufmerksamkeit.

Auch sie verkörpert "Jugend" und "Freude" ;-) Und darüber hinaus hat sie die Aufgabe uns Männer zum Nachdenken über unsere Existenz anzuregen und uns zu einem spirituellen Einklang mit uns selbst zu bringen ;-)

Candombe-Tänzerin Berta Slepovich: Die Sexbombe von 'Generación Lubola', Maldonado, Uruguay.

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Foto: Wann hat das Wort "Sexbombe" je besser gepaßt? Candombe-Tänzerin Berta Slepovich, die strategische Biowaffe von "Generación Lubola" aus Maldonado, Uruguay.

In einem traditionellen Candombe-Bühnenspektakel haben alle diese Figuren, nach einem kollektiven Aufmarsch, ihre individuellen Nummern, um sich danach wieder in einem fulminanten Finale zu vereinigen, bei dem zum Schluß meist das anwesende Publikum eingeladen wird, auf die Bühne und Tanzfläche zu strömen - eine Aufforderung, der immer begeistert Folge geleistet wird.

Um das Ganze vollumfänglich zu verstehen, müssen Sie persönlich bei uns in Uruguay vorbeikommen.

Candombe-Tänzerin und Vedette von 'Sarabanda', Uruguay.

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Fotos: Die unzweifelhaften Stars des uruguayischenKarnevals sind und bleiben zweifelsohne die Lubolos, deren zuckendeTänzerinnen, betörende Rhythmen und farbenprächtige Kostüme.

Foto oben: Die Fronttänzerin der Comparsa "Sarabanda", Lola Acosta, lt. Jury die beste Vedette des uruguayischen Karnevals 2009.

Foto unten: Die Vedette der Comparsa "Yambo Kenia", Yessie López, von der Jury zur drittbesten Vedette des uruguayischen Karnevals 2009 ernannt.

Die Candombe-Tänzerin von 'Yambo Kenia', Uruguay.

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Eine weitere hübsche Candombe-Tänzerin und Vedette aus Uruguay.

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Foto: Eine weitere der vielen bildhübschen uruguayischen Candombe-Tänzerinnen.

Karnevalsköniginnen

Natürlich werden auch in Uruguay Karnevalsköniginnen gewählt: eine 'weiße', die"Reina del Carnaval", und eine 'schwarze', die "Reina de las Llamadas".In diesem Jahr wurde erstmalig auch eine "Königin der Sambaschulen" auserkoren ("Reina de las Escuelas de Samba"), als ob es in Montevideo so viele davon gäbe...

Wie es sich gehört, hat selbstverständlich jede "Königin" ihre zwei"Prinzessinnen" bzw. "Vize-Königinnen".

Foto: Die uruguayische Karnevalskönigin 2009, Eliana Olivera (Mitte, 21 Jahre) und ihre zwei Stellvertreterinnen: Cristina Ibarra (rechts, 16 Jahre, erste Vize-Königin) und Leticia Etcheverry (links, 17 Jahre, zweite Vize-Königin).

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Foto: Die uruguayische "Karnevalskönigin" 2009, Eliana Olivera (Mitte, 21 Jahre), und ihre zwei Stellvertreterinnen: Cristina Ibarra (rechts, 16 Jahre, erste "Vize-Königin") und Leticia Etcheverry (links, 17 Jahre, zweite "Vize-Königin").

Foto: Die Reina de las Llamadas Uruguay 2009, Paula Juvencio (Mitte, 18 Jahre) und ihre zwei Stellvertreterinnen: Camila Vidarte (rechts, 18 Jahre, erste Vize-Königin) und Stephani Acosta (links, 19 Jahre, zweite Vize-Königin).

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Foto: Die "Reina de las Llamadas" Uruguay 2009, Paula Juvencio (Mitte, 18 Jahre), und ihre zwei Stellvertreterinnen: Camila Vidarte (rechts, 18 Jahre, erste "Vize-Königin") und Stephani Acosta (links, 19 Jahre, zweite "Vize-Königin").

Foto: Die Könhigin der Sambaschulen Uruguay 2009, Romina Rodríguez (Mitte, 19 Jahre) und ihre zwei Stellvertreterinnen: Karen Direna (rechts, 17 Jahre, erste Vize-Königin) und Dahiana Pineda (links, 20 Jahre, zweite Vize-Königin).

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Foto: Die "Königin der Sambaschulen" Uruguay 2009, Romina Rodríguez (Mitte, 19 Jahre), und ihre zwei Stellvertreterinnen: Karen Direna (rechts, 17 Jahre, erste "Vize-Königin") und Dahiana Pineda (links, 20 Jahre, zweite "Vize-Königin").

Sieger des uruguayischen Karnevals 2009

Die Prämien im begehrtesten Wettbewerb, dem"Desfile de las Llamadas" (s.u.), beliefen sich dieses Jahr auf 81.900 Pesos(1. Preis), 78.700 Pesos (2. Preis) und 67.600 Pesos (3.Preis).

Den ersten Preis holte sich die traditionsreiche Comparsa "Yambo Kenia" mit 421 Punkten. Platz zwei belegte "Tronar de Tambores" (404 Punkte), Platz drei "Sarabanda" (391 Punkte).

(Die vollständige Liste aller teilnehmenden Comparsas, deren Platzierung und erreichte Punkte befindet sich hier.)

Video: TV-Bericht über Yambo Kenia und derendiesjährige Llamada-Performance, mit einem vorausgehenden Interview mit deruruguayischen Gesundheitsministerin, Maria Julia Muñoz, die an diesemAbend in der "Parade der Rufe" mitmarschierte, plus Backstage-Szenender Comparsa nebst Aufwärm-Jamsession der Tamborileros.

Zum Schluß noch die Gewinner der ersten Preise im "Teatro de Verano" (Bühnenkarneval) nach Kagtegorien:

  • Lubolos: Sarabanda
  • Murgas: A Contramano
  • Humoristas: Sociedad Anónima
  • Revistas: La Compañía
  • Parodistas: Zíngaros

(Die vollständige Liste aller Karnevalsgruppen, deren Platzierung und erreichte Punkte befindet sich hier.)

Spezielle Erwähnungen ("Teatro de Verano"):

Zusätzlich zu den Preisen gab es wie jedes Jahr Dutzende "spezieller Erwähnungen". In der Kategorie Lubolos räumte die Comparsa "Sarabanda" kräftig ab. Sie gewann nicht nur den ersten Preis als beste Lubolo-Gruppe des Bühnenkarnevals, sondern sicherte sich auch die "speziellen Erwähnungen" für die beste Cuerda de Tambores, die beste Inszenierung und die beste und zweitbeste Vedette!

(Die vollständige Liste aller spezieller Erwähnungen befindet sich in hier.)

Die Lubolo-Comparsa Sarabanda auf der Bühne im uruguayischen Karneval 2009.

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Foto: Die Lubolo-Comparsa Sarabanda on Stage!


Weiterführende Links in diesem Magazin:

Weiterführende Links in spanischer Sprache:


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Kommentar von Ralph, 28. September 2009:

Erste Klasse.
Vielen Dank.

LG Ralph

Kommentar von ATA, 29. September 2009:

Hola Manni,
toll und seeehr ausführlich. Aber der uruguayische Karneval hat doch nicht nur viel Licht sondern auch, zumindest etwas, Schatten, oder?
In Deutschland soll bei Karneval bekanntlich auch mal ein klein Fläsche Bier hin und wieder getrunken werden, mit entsprechende Folgen. Da könnte die Polzei mehr zu sagen. Wie sieht das bei Euch aus. Mate statt Alkohol ? 

Antwort von Manfred, 29. September 2009:

Hallo ATA!

Gesoffen wird hier natürlich auch, und die Polizei macht während des Karnevals verstärkt Alkoholkontrollen im Straßenverkehr, wie auch an Silvester und ähnlichen Feiertagen.

Trotzdem läuft hier alles im Großen und Ganzen friedlich ab. Die Leute haben ihren Spaß und vergnügen sich. Exzesse und Gewalt passen nicht zum"Uruguayan Way of Life". 

 


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